Virtuelle Zwillinge könnten bald mehr als nur digitale Kopien werden – sie versprechen echte Digital Immortality. Die Technologie entwickelt sich rasant und wirft fundamentale Fragen über Leben und Tod auf.
Wir bei newroom connect haben die neuesten Entwicklungen analysiert und zeigen dir, was heute schon möglich ist. Doch wie realistisch ist digitale Unsterblichkeit wirklich?
Können virtuelle Zwillinge wirklich unsterblich machen?
Virtuelle Zwillinge verfolgen ein völlig anderes Ziel als klassische digitale Zwillinge in der Industrie. Während digitale Zwillinge Maschinen und Produktionsprozesse optimieren, erschaffen virtuelle Zwillinge komplette menschliche Persönlichkeiten nach. Microsoft entwickelt bereits einen KI-Chatbot, der durch ausreichende Datenmengen verstorbener Personen realistische Gespräche führen kann. Die Pionierarbeit von Gordon Bell und Jim Gray aus dem Jahr 2000 mit dem MyLifeBits-System zeigt, wie sich alle Aspekte eines Menschenlebens digitalisieren und dauerhaft speichern lassen.
Einweg- versus Zweiwege-Unsterblichkeit
Maggi Savin-Baden und David Burden kategorisieren digitale Unsterblichkeit in zwei grundlegende Ansätze. Einweg-Unsterblichkeit beschreibt passive digitale Präsenzen (wie Gedenkseiten oder Hologramme verstorbener Personen). Zweiwege-Unsterblichkeit ermöglicht dagegen aktive Interaktionen durch digitale Avatare, die mit echten Persönlichkeitsdaten trainiert wurden. Diese Griefbots kommunizieren bereits heute mit Trauernden und nutzen dabei die digitalen Hinterlassenschaften der Verstorbenen.
Technologische Realität und Grenzen
Raymond Kurzweil sagt voraus, dass Mind uploading bis 2045 technisch machbar wird. Nectome bewirbt schon heute Verfahren zur Erinnerungsspeicherung, allerdings mit noch tödlichen Konsequenzen für die Probanden. Moderne KI-Systeme extrahieren bereits heute Persönlichkeitsmerkmale aus digitalen Daten und erstellen daraus interaktive Profile. Der Einsatz künstlicher Intelligenz in der Trauerbegleitung wächst kontinuierlich, während nur 13 Prozent der Großunternehmen bisher Digital Twins implementiert haben.
Die technischen Herausforderungen bleiben jedoch beträchtlich, besonders bei der präzisen Erfassung menschlicher Eigenschaften und Erinnerungen.
Wie realistisch sind virtuelle Menschen heute?
KI-Algorithmen extrahieren bereits heute charakteristische Verhaltensmuster aus digitalen Spuren wie E-Mails, Nachrichten und Social-Media-Posts. Microsoft entwickelt einen Chatbot, der mit ausreichenden Datenmengen verstorbener Personen realistische Gespräche führt. Moderne Large Language Modelle analysieren Schreibstile, Wortschatz und emotionale Muster zur Persönlichkeitsvorhersage. Die Technologie interpretiert jedoch subtile zwischenmenschliche Nuancen noch unzureichend (besonders bei spontanen emotionalen Reaktionen).
Aktuelle Grenzen der KI-Persönlichkeitsmodelle
Heutige KI-Systeme versagen bei komplexen emotionalen Reaktionen und unvorhersehbaren Persönlichkeitsentwicklungen. Sie reproduzieren Verhaltensmuster, treffen aber keine echten spontanen Entscheidungen oder lernen aus neuen Erfahrungen wie Menschen. Griefbots basieren auf statischen Datensätzen und entwickeln sich nicht weiter. Die Technologie bildet maximal 60 Prozent der menschlichen Persönlichkeitskomplexität ab, während unbewusste Prozesse und körperliche Reaktionen die restlichen 40 Prozent bestimmen.

Hardware-Anforderungen für realistische Simulation
Photorealistische virtuelle Menschen benötigen mindestens 32 GB RAM und moderne Grafikkarten mit 16 GB VRAM für flüssige Darstellung. Die Echtzeitverarbeitung natürlicher Sprache erfordert Cloud-Computing-Ressourcen mit über 100 Teraflops Rechenleistung. Nectome schätzt, dass die vollständige Speicherung eines menschlichen Gehirns etwa 2,5 Petabyte Daten umfassen würde (das entspricht 2.500 Terabyte).

Diese technischen Hürden machen digitale Unsterblichkeit derzeit nur für wenige Personen wirtschaftlich realisierbar, während die Kosten bei etwa 200.000 Euro pro virtueller Person liegen.
Diese technischen Realitäten werfen fundamentale Fragen über die gesellschaftlichen Auswirkungen solcher Technologien auf. Während Quantensimulation bereits in anderen Bereichen zur greifbaren Realität wird, bleiben virtuelle Menschen noch eine komplexe Herausforderung.
Welche gesellschaftlichen Risiken bringen virtuelle Zwillinge mit sich?
Deutsche Gerichte entwickeln keine einheitlichen Standards für die Nutzung persönlicher Daten verstorbener Personen. Das Bundesjustizministerium arbeitet seit 2019 an einer Reform des Erbrechts für digitale Güter, doch konkrete Gesetze existieren weiterhin nicht. Microsoft meldet bereits über 50 Patente für KI-Chatbots verstorbener Personen an, während die Rechtslage völlig ungeklärt bleibt.

Unternehmen nutzen digitale Zwillinge ohne Zustimmung der Erben kommerziell oder manipulieren deren Aussagen gezielt. Die rechtlichen Grauzonen bei digitalen Nachlässen schaffen massive Probleme für Angehörige und Technologiekonzerne gleichermaßen. Erben können nicht kontrollieren, wie Unternehmen die digitalen Persönlichkeiten ihrer verstorbenen Verwandten verwenden (oder missbrauchen).
Manipulation historischer Persönlichkeiten gefährdet die Wahrheit
Interessengruppen beeinflussen digitale Avatare berühmter Persönlichkeiten gezielt oder verfälschen deren Aussagen systematisch. Ein virtueller Einstein vertritt plötzlich Theorien, die er niemals unterstützt hätte. Die Gefahr der Geschichtsfälschung steigt exponentiell, wenn digitale Zwillinge als authentische Quellen präsentiert werden.
Deepfake-Videos manipulieren bereits heute politische Meinungsbildung, während digitale Zwillinge diese Problematik auf eine völlig neue Ebene heben. Historische Figuren könnten posthum für politische Kampagnen oder kommerzielle Zwecke missbraucht werden (ohne jede Kontrolle durch Nachfahren oder Institutionen).
Trauerprozesse verlängern sich künstlich durch digitale Präsenz
Menschen weigern sich loszulassen, wenn der verstorbene Partner jederzeit als Chatbot erreichbar bleibt. Diese künstliche Verlängerung der Trauer verhindert emotionale Heilung und die Entwicklung neuer Beziehungen. Digitale Zwillinge können den natürlichen Abschiedsprozess erheblich stören.
Kinder reagieren besonders verwirrt, wenn verstorbene Großeltern plötzlich wieder sprechen können, aber niemals physisch anwesend sind. Digitale Zwillinge sammeln täglich sensible Datenpunkte aus dem Privatleben und schaffen damit massive Sicherheitsrisiken. Die Technologie unterbricht den notwendigen Abschiedsprozess und hält Menschen in einem Zustand permanenter emotionaler Abhängigkeit gefangen.
Abschließende Gedanken
Digital Immortality bleibt vorerst Science-Fiction, auch wenn erste Ansätze bereits funktionieren. Die aktuellen KI-Systeme reproduzieren maximal 60 Prozent menschlicher Persönlichkeit, während echte Spontaneität und emotionale Tiefe fehlen. Nectomes Verfahren zur Erinnerungsspeicherung sind noch tödlich, und die Kosten von 200.000 Euro pro virtueller Person machen die Technologie nur für wenige zugänglich.
Die technologischen Durchbrüche der nächsten 20 Jahre werden entscheidend sein. Kurzweils Prognose für 2045 könnte realistisch werden, wenn Quantencomputing und neuronale Schnittstellen die nötigen Rechenkapazitäten liefern (besonders für die komplexe Simulation menschlicher Bewusstseinsprozesse). Bis dahin bleiben rechtliche Grauzonen und ethische Fragen ungeklärt.
Du musst persönlich entscheiden, ob digitale Unsterblichkeit Fluch oder Segen darstellt. Die Technologie wird kommen, doch ihre gesellschaftlichen Auswirkungen hängen von unserem verantwortlichen Umgang ab. Wir bei newroom connect entwickeln bereits heute immersive virtuelle Erlebnisse, die zeigen, wie kraftvoll digitale Interaktionen werden können.